Die Krabbelkäfer – Reittherapie

Ein Beitrag von Birgit Arndt, Gründerin und Leiterin der „Krabbelkäfer“ im Kinderschutzbund Siegburg:

Das ist Ahmed, der mit seinen Eltern und seinen Geschwistern und den anderen 8 Familien der „Krabbelkäfer“ im April 2014 einen Reittherapie-Urlaub im Kolping-Feriendorf Herbstein verbringen durfte. Ahmed hat das Down-Syndrom und aufgrund einer Herzoperation und anderen Beschwerden, musste er fast sein gesamtes erstes Lebensjahr im Krankenhaus verbringen.

Das hat dazu geführt, dass er in seiner Entwicklung noch sehr am Anfang steht. In den Krabbelkäfer-Turnstunden weint er viel, bleibt im Arm seiner Mutter, guckt nicht, greift nicht, möchte nichts ausprobieren. Auf Ansprache reagiert er verschreckt und ablehnend. Auch zu Hause ist er nur zufrieden, wenn seine Mama für ihn singt und ihn beruhigend im Arm schaukelt. Zu groß scheint sein Misstrauen in die Welt, die ihm immer wieder Schmerzen zugefügt hat.
Seine Mutter ist durch die Situation am Ende ihrer Kräfte. Den Geschwisterkindern und auch sich selber gerecht zu werden wird immer unmöglicher für sie.

So ist die Freude in der Familie riesengroß, als sie erfahren, dass sie einen Urlaub geschenkt bekommen, in dem sie sich nicht um den Haushalt kümmern müssen, bekocht werden, Eltern und Kinder Gleichbetroffene treffen und sich austauschen können.
Und dann ist da ja noch die Reittherapie für jedes Kind….Keiner in der Familie hat bisher Kontakt zu so einem großen Tier gehabt, man ist aufgeregt und skeptisch. Die Reittherapeutin vor Ort hat ein Konzept für ein Mutter-Kind-Reiten entwickelt, dass mit Ahmed und seiner Mutter in die Testphase geht. Mutig steigt die Mutter auf den Rücken des Pferdes. Nun kann sie erstmal ihre Mitte auf dem bloßen Rücken finden, sich ausgleichen lernen, die Bewegungen und die Wärme des Tieres spüren, zur Ruhe kommen. Mit jeder Runde auf dem Pferd sieht man ihr an, wie sie wieder lernt, sich selbst zu spüren, ihren Körper wieder wahrzunehmen. Die Reittherapeutin betont, wie wichtig es für die Familie ist, dass die Mutter Acht auf sich selber gibt, denn nur so kann sie Kraft für die besonderen Bedürfnisse von Ahmed und seinen Geschwistern behalten.
Nun kommt Ahmed mit auf das Pferd. Seine Mutter hält ihn vor sich, während das Tier langsam seine Runden geht. Die Pferde sind so gut geschult und so sensibel, dass sie z.B. bei einer Unsicherheit des Reiters sofort von alleine stehen bleiben. Das gibt der Mutter Vertrauen. Zunächst wehrt sich Ahmed, da ihm die Situation beängstigend unbekannt ist. Aber schon bald überträgt sich die Ruhe des Pferdes und seiner Mutter auf Ahmed und er beginnt, das Schaukeln zu genießen. Nach einiger Zeit kann Ahmed alleine auf dem Pferderücken liegen und langsam beginnt er, nach dem Fell zu greifen, den Kopf zu drehen und mit den Augen die Reittherapeutin zu fixieren.
Bereits nach der zweiten Reittherapie-Stunde bemerken die anderen Familien eine Veränderung bei Ahmed. Im Speisesaal ist er jetzt nicht mehr der passive Junge, der in seinem Hochstuhl sitzt und den Mund aufmacht, wenn der Löffel kommt. Nein – jetzt greift Ahmed nach seinem Essen, dreht den Kopf und sucht mit seinen Augen, wenn etwas neben ihm gefallen ist. Am Ende der Woche ist Ahmed ein Junge, der lauthals lachen kann, wenn ihn jemand anspricht und der neugierig in die Welt guckt und sich versucht, auf sie zu zu bewegen, indem er erste Krabbelversuche startet.
Ahmed hatte vor dem Urlaub viele Therapie-Stunden erhalten, die ihn mit Sicherheit in seiner Entwicklung gefördert haben. Aber keine Therapie war so effektiv für ihn, wie diese Woche Reittherapie. Er hat eine Menge Fortschritte gemacht, vor allem sein Blick auf die Welt hat sich geändert und so die Grundlage geschaffen, weiter vorwärts zu kommen. Er ist jetzt neugierig, offen für neue Eindrücke, hat Sicherheit in seinem Körper gefunden. Dies ist eine große Erleichterung für seine Mutter, die noch lange Zeit von ihrer eigenen Reittherapie-Erfahrung zehren kann.
Ich möchte mich bei Ihnen, die sie durch Ihre Spenden solche „Wunder“ erst möglich gemacht haben, bedanken.
Ahmed und seine Familie sind nur ein Beispiel dafür, wie wichtig dieser Reittherapie-Urlaub für Familien mit behinderten Kindern ist. Der Abstand vom Alltag mit seinen Therapien und Arztbesuchen, der Austausch mit anderen Familien in ähnlicher Lage und die Reittherapie für alle Kinder – auch die Geschwisterkinder – sind Kraftquellen, die diese Familien oft dringend nötig haben.
Bereits fünf Mal konnten jeweils 8-11 Krabbelkäfer – Familien dank der großzügigen Spende des Vereins „Miteinander Leben“ zur Reittherapie in das Kolpingferiendorf Herbstein fahren.

Die nächste Fahrt ist für März 2016 geplant.
Ich möchte mich bei Ihnen, die sie durch Ihre Spenden solche „Wunder“ erst möglich gemacht haben, im Namen aller Familien, bedanken!

Birgit Arndt, Sonderpädagogin

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